Der Generalwildwegeplan (GWP) ist in Baden-Württemberg die erste wissenschaftlich hergeleitete und fachlich abgestimmte Fachplanung zur Sicherung großräumiger ökologischer Funktionsbeziehungen im Sinne eines landesweiten, grenzüberschreitenden Biotopverbunds.
Generalwildwegeplan
Grünbrücke © Martin Strein
Der Generalwildwegeplan (GWP) ist integrativer Bestandteil eines nationalen und paneuropäischen ökologischen Netzes. Das Kabinett hat den GWP 2010 zur Umsetzung und Berücksichtigung bei allen raumwirksamen Eingriffen verabschiedet. In der aktuellen Landesnaturschutzstrategie ist der GWP mit mehreren Zielen und Handlungsfeldern aufgeführt. Seit 2015 ist der GWP im JWMG und LNatSchG gesetzlich verankert.
Übergeordnetes Ziel des GWP ist der Erhalt und die Entwicklung der Biodiversität durch Ab- und Zuwanderung und genetischen Austausch zwischen Populationen. Dies soll eine Ausbreitung sowie Wieder- oder Neubesiedlung geeigneter Areale ermöglichen. Im Hinblick auf die durch den Klimawandel verursachte Dynamik von Arealveränderungen ist es eines der wichtigsten Instrumente zum Erhalt der Resilienz/Vitalität von Populationen sowie ökologischer Wechselbeziehungen.
Die im GWP ausgewiesenen Wildtierkorridore zeigen dabei die verbliebenen Möglichkeiten eines großräumigen Verbundes in der bereits weiträumig fragmentierten Kulturlandschaft Baden-Württembergs sowie zu den benachbarten Nationen und Bundesländern auf. Gerade für weiträumig wandernde Wildtiere sind administrative Grenzen des Menschen ohne Belang. Dies ist auch Voraussetzung für einen so bezeichneten Metapopulationsverbund. Dieser ermöglicht überhaupt erst Arten in sehr geringen Siedlungsdichten mit großen Lebensraumansprüchen und weit auseinanderliegenden Vorkommen, wie beispielsweise dem Luchs, ein Überleben. Die Wildtierkorridore sollen nicht dahingehend falsch interpretiert werden, dass sich Wildtiere ausschließlich auf den ermittelten Korridoren bewegen, sondern dass Wildtierkorridore besonders für großräumige Bewegungen geeigneter sind und erfolgreicher von Wildtieren genutzt werden können. Außerdem können sie nicht für kleinräumige Wechsel, beispielsweise zwischen Tages- und Nachteinstand, herangezogen werden.
Gruenbruecke © Martin Strein
Der GWP als Planungsgrundlage für die Wiedervernetzung
Zunächst werden die aus Landessicht großen zusammenhängenden Waldfunktionsräume als Kernlebensräume, die wenigstens Teilpopulationen von Wildtieren mit großen Raumansprüchen tragen können, hergeleitet. Dazwischen und über diese großen Kernlebensräume hinweg vermittelt ein Netz aus Wildtierkorridoren als Verbundelemente, wobei kleinere Waldflächen oder Schutzgebietsflächen als Trittsteine integriert werden. Die Wildtierkorridore orientieren sich dabei sowohl an der aktuellen landschaftlichen Ausstattung/Nutzung als auch an den spezifischen Ansprüchen und Wanderdistanzen mobiler heimischer Säugerarten mit terrestrischer Lebensweise und einem Lebensraumschwerpunkt im Wald. Es werden die Bereiche aufgezeigt, die bezogen auf den Lebensraum relativ günstiger sind als die übrigen Flächen. Die einzelnen Korridore sind in einem weiteren Schritt hinsichtlich ihrer räumlichen Überlagerung mit den Netzen der Anspruchstypen des Offenlandes für trockene, mittlere und feuchte Standorte abgeglichen worden. Dadurch sollen in der Maßnahmenplanung einerseits naturschutzfachliche Zielkonflikte vermieden werden und andererseits eine möglichst hohe Multifunktionalität/Synergie durch Schaffung integrativer Lebensraumkorridore ermöglicht werden. Außerdem weist der GWP auf bestehende Barrieren hin, damit die Konnektivität durch geeignete Maßnahmen, z.B. im Rahmen der Landeskonzeption Wiedervernetzung der Straßenbauverwaltung, wieder hergestellt werden kann.
Neben Kleintieren bis zur Größe von Reptilien können auch Pflanzen von der Beförderung im Fell, letztere auch im Magen, von Wildtieren profitieren, dem sogenannten Vektortransport. Gerade die größeren Säuger schaffen auch durch Fraß oder sonstige Aktivitäten oft erst die richtigen Bedingungen für andere Arten. Diese Eigenschaft nennt man Habitat- oder Lebensraumbildner. Ziel des GWP ist es daher möglichst vielen Arten, insbesondere solchen, die miteinander in enger ökologischer Wechselbeziehung stehen, vom Wirbellosen bis zum Großsäuger, vom Hirschkäfer bis zum Rothirsch, Mobilität als Individuum oder in einer Generationenfolge, zu ermöglichen. Ein Biotopverbund gemäß GWP hat deshalb eine hohe ökosystemare Relevanz.
mehr zum GWP am Wildtierinstitut der FVA
Fortlaufende Weiterentwicklung durch das FVA-Wildtierinstitut
Der GWP wird kontinuierlich von der „Fachstelle zur Umsetzung des GWP“ am Wildtierinstitut der FVA betreut und weiterentwickelt - alle 10 Jahre ist eine Fortschreibung unter Berücksichtigung neuer Kenntnisse vorgesehen. Fachlich begründet sich eine Fortschreibung aus der Notwendigkeit, die Funktionen des GWP in Bezug auf Auswirkungen einer sich permanent verändernden Landschaft zu aktualisieren sowie zwischenzeitlich verbesserte bzw. neue relevante Datengrundlagen oder infrastrukturelle Entwicklungen zu berücksichtigen.
Aktuell wird der Generalwildwegeplan überarbeitet, Ziel ist dabei jedoch keine grundsätzliche Neuberechnung bzw. Verortung der 2010 erstmals eingeführten Wildtierkorridore. Vielmehr soll eine fachliche Vertiefung und Präzisierung des GWPs im Sinne qualitativer Verbesserungen eine Anwendung erleichtern.
zum Arbeitsbereich "Lebensraumverbund & Wildunfälle" des FVA-Wildtierinstituts